Staatsanwaltschaft und Gericht

Leider stoßen Betroffene von Nachstellung häufig auf Schwierigkeiten bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht. Im folgenden finden Sie hierzu Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge. Manche Punkte überschneiden sich, da sie auf Staatsanwaltschaft und Gericht zutreffen.

 

Staatsanwaltschaft

→  Keine Verfahrenseinstellungen aus verfahrensökonomischen Gründen, bei Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz (§154 StPO, Nr. 5, 101 RistBV)

In vielen Bereichen des deutschen Strafrechts sind Einstellungen aus verfahrensökonomischen Gründen ein kostensparendes sinnvolles Werkzeug, im Bereich Nachstellung ist es das Gegenteil. Das Gewaltschutzgesetz soll Opfer vor Nachstellungen schützen, dies tut es aber nur, wenn Verstöße auch geahndet werden. Wenn nun ein Verfahren nach dem anderen eingestellt wird, so demotiviert dies nicht nur das Opfer, sondern es steigert auch das Allmachtsgefühl des Täters, weil er sich für unverwundbar hält. Man erreicht somit keine Kostenersparnis, sondern nur noch mehr Anzeigen, da der Täter natürlich keinen Grund sieht sein Verhalten zu ändern, wenn er keine direkten Konsequenzen für sein Handeln spürt. Der Sinn des Gewaltschutzgesetzes wird somit ausgehebelt

 

→ Beschleunigtes Verfahren im Bereich Nachstellung und Gewaltschutzgesetz, mindestens aber bevorzugte Terminierung nach Abschluss der Ermittlungen und Erhebung der Anklage

Im Gegensatz zu “herkömmlichen” Delikten ist der Grundsatz bei Nachstellung, dass die Tat andauert und somit das Opfer nicht durch eine einmalige Tat betroffen ist, sondern tagtäglich mit den Nachstellungen fertig werden muss. Eine unnötig lange Bearbeitungszeit bei der Staatsanwaltschaft und späte Terminierung eines Verhandlungstermins im Gericht verlängern die Leiden der Betroffenen unnötig, außerdem bieten sie dem Täter wesentlich mehr Zeit, um das Opfer zu quälen und weitere Straftaten, wie z.B. Verstöße gegen eine Gewaltschutzanordnung zu begehen. Somit hat man, noch bevor das Verfahren abgeschlossen ist, zig neue Anzeigen auf dem Tisch liegen. Gewaltschutzverstöße und Anzeigen wegen Nachstellung sollten deswegen beschleunigt bearbeitet und bevorzugt terminiert werden.

 

→ Eine vorhergegangene Beziehung ist kein Einstellungsgrund!

In Beratungen erzählen mit Betroffene immer wieder das Anzeigen eingestellt wurden, weil die Tat auf Beziehungsstreitigkeiten beruht oder mit Trennungsschwierigkeiten begründet wird. Das dem Stalking eine Beziehung vorangegangen ist, gibt dem Täter keinen Freibrief Grenzen des Opfers zu überschreiten und es zu terrorisieren, egal aus welchen Gründen eine Beziehung geendet hat. Ein Opfer das sich an die Justiz wendet, hat nur diese Möglichkeit um Schutz zu bekommen. Wenn die Justiz dann nicht eingreift, was soll ein Opfer dann noch tun? Abgesehen davon das eine Einstellung mit Verweis auf die Beziehung dem Opfer letztlich eine Mitschuld an der Tat gibt, sind Ex-Partner-Stalker bekanntermaßen die größte Stalkergruppe. Die Wahrscheinlichkeit das das Stalking an eine Beziehung anschließt, liegt also bei mehr als 50%. Zudem sind Ex-Partner die brutalsten und gefährlichsten Stalker. Wenn man sich die Tötungsdelikte im Bereich Stalking anschaut, dann wird man feststellen das es sich hierbei meist um Ex-Partner-Stalking handelt. Die Justiz muss hier sehr genau hinschauen und möglichst frühzeitig eingreifen, nicht das Opfer allein lassen.

Zu diesem Punkt passt folgendes Zitat aus den Polizeilichen Handlungsleitlinien zur Bekämpfung häuslicher Gewalt, der Hessischen Polizei von 2001 hervorragend:
„Streit ist eine Auseinandersetzung zwischen Personen, in der versucht wird, den jeweils anderen von der eigenen Sichtweise zu überzeugen, d.h. hier gibt es zwei Kontrahenten bzw. Verantwortliche. Der Einsatz von Gewalt hingegen bedeutet, dass eine Person einer anderen ihren Willen aufzwingen, sie unterordnen und unterdrücken will. Bei Gewalt gibt es ein Opfer und einen Täter/eine Täterin, also eine Person, die im strafrechtlichen Sinne verantwortlich ist. Gewalt hat damit eine straf – und polizeirechtliche Relevanz“

 

→ Mehr Auflagen nach § 153 a StPO, statt einfacher Verfahrenseinstellungen

Es mag durchaus Fälle geben, in denen von einer Strafverfolgung abgesehen werden kann, allerdings sollte man dies nicht als „Mach ruhig so weiter“-Freibrief an den Täter tun, sondern in Form von Auflagen, die unter Umständen, zu einer Deeskalation führen können. Hier wär z.T. die Teilnahme an Täterprogrammen eine sehr gute Möglichkeit um Opfer zu schützen.

 

→ Kein Täter-Opfer- Ausgleich (TOA) bei Nachstellung

Die oberste Regel bei Nachstellung ist, absolut keinen Kontakt zum Täter aufzunehmen und in keiner Form auf seine Kontaktaufnahmen zu reagieren. Der TOA würde all dies aushebeln und könnte das Stalkinggeschehen eher noch verstärken. Der TOA ist KEIN angebrachtes Mittel bei Stalking.

 

Gericht

→ Bessere Schulung der Rechtspfleger

Leider hört man häufig das Rechtspfleger hilfesuchende Opfer bei der Beantragung einer Gewaltschutzanordnung abweisen, weil in den Augen der Rechtspfleger nicht ausreichend Beweise vorhanden sind. Dies ist nicht Aufgabe der Rechtspfleger. Die Entscheidung über Erlass oder Ablehung einer einstweiligen Anordnung liegt beim Richter! Beratungsstellen versuchen Betroffene dazu zu bringen sich Hilfe zu holen oder Opfer überwinden sich endlich selbst dazu und blitzen dann beim Rechtspfleger ab. Viele werden keinen zweiten Versuch starten, was fatale Folgen haben kann.

 

→ Gerichtliche Therapieauflagen und/oder Auflage zum Alkohol-/Drogenentzug

Auch wenn ein großer Teil der Stalkingtäter nicht psychisch krank ist, so spielen psychische Erkrankungen doch bei einigen eine große Rolle, genau so wie Missbrauch von Alkohol und/oder Drogen. Da das alleinige Bestrafen eines Täters oftmals nicht ausreichend ist, wenn sich an den auslösenden Faktoren für Stalking oder Gewalt nichts ändert, sind Therapieauflagen unumgänglich. Selbstverständlich ist es nicht möglich jemanden gegen seinen Willen zu therapieren, aber es gänzlich komplett nicht zu versuchen, hilft sicher nicht. Es gibt durchaus Täter bei denen man mit Therapie etwas bewirken könnte und man sollte hier alles mögliche versuchen. Täter nicht wieder zu Tätern werden zu lassen ist der beste Opferschutz!

 

→ Höhere Zwangsgelder in Gewaltschutzverfahren vor dem Familiengericht

Wenn ein Täter gegen eine einstweilige Anordnung verstößt, so werden in aller Regel Zwangsgelder vom Familiengericht verhängt, um diese Verstöße zu ahnden. Leider wird hier der Fokus häufig zu sehr auf die finanziellen Möglichkeiten des Täters gelegt. Es darf nicht sein, dass man bei Zwangsgeldern überlegt, ob sich der Täter diese auch leisten kann. Der Täter hat die kostengünstigste Möglichkeit überhaupt, er könnte sich an die Anordnung halten und müsste somit gar nicht bestraft werden. Es liegt also allein in seiner Hand! Das Opfer hingegen hat diese Möglichkeit nicht. Es ist auf den Schutz der Justiz angewiesen und ein wirksamer Opferschutz besteht darin, den Täter in seinem Handeln zu stoppen. Die Zwangsgelder dürfen sich also nicht nach dem Geldbeutel des Täters richten, sondern nach dem Schutzbedürfnis des Opfers!