Gewaltschutzgesetz Kritik

Das Gewaltschutzgesetz war im Jahr 2002 eine längst überfällige Neuerung im Deutschen Rechtssystem. Erstmals gab es die Möglichkeit einen Aggressor, per gerichtlicher Anordnung, dazu zu zwingen, bestimmte belästigende Verhaltensweisen zu unterlassen. Im Fokus stehen hier Kontaktaufnahmen jeder Art oder das Aufsuchen der antragstellenden Person.
Leider gibt es, wie beim Nachstellungsparagraphen, einige Punkte, die verbessert werden müssen.

Ein großes Problem ist der sehr niedrige Strafrahmen des Gesetzes. Die maximale Freiheitsstrafe liegt paragraph_gebrochen_10bei einem Jahr. Somit ist eine abschreckende Wirkung kaum bis gar nicht gegeben. Auch polizeiliche Maßnahmen nach dem Polizeiaufgabengesetz sind bei einer so niedrigen Straferwartung kaum nutzbar. Eine Anhebung des Strafrahmens auf mindestens drei Jahre wäre eine dringend erforderliche Änderung um Betroffene besser schützen und Täter wirksamer stoppen zu können.

Ein weiterer Punkt, der das Gewaltschutzgesetz in seiner Schutzwirkung mindert, ist das Familienrecht. Wenn der Täter oder die Täterin mit dem Opfer gemeinsame Kinder hat, so besteht über Umgangs- und Sorgerecht die Möglichkeit, eine Gewaltschutzanordnung praktisch auszuhebeln und so Druck auf das Opfer auszuüben. Etwa 70% der Frauen werden bei Umgangskontakten wieder Opfer von Gewalt durch den Ex-Partner. Dies ist nicht nur massiv belastend und gefährlich für die direkt betroffene Person, sondern natürlich auch für die Kinder, die diese Gewalt direkt miterleben.

Aber nicht nur das Gesetz selbst weist Schwachstellen auf, auch die Anwendung des Gesetzes ist oft nicht mit dem Schutzbedürfnis Betroffener vereinbar. So gibt es z. B. nach wie vor Gerichte, bei denen auf die antragstellende Partei so eingewirkt wird, dass sie eine Vereinbarung mit der gegnerischen Partei eingeht. Diese Vereinbarungen sind allerdings nicht strafbewehrt und bieten somit lediglich dann einen Schutz, wenn der Täter gewillt ist, sich an die Vereinbarung zu halten.

Es ist leider eine Tatsache das sich viele Täter nicht an solche Anordnungen halten. Hier wäre ein schnelles und konsequentes Vorgehen des Familiengerichts bzw. der Staatsanwaltschaft notwendig. Häufig passiert allerdings das genaue Gegenteil. Es werden minimale Zwangsgelder verhängt oder Verstöße von der Staatsanwaltschaft komplett eingestellt. Bei der Staatsanwaltschaft kommt hierbei häufig der § 154 StPO zur Anwendung. Es wird also aus verfahrensökonomischen Gründen eingestellt. Gerade bei Stalking ist das ein fatales Signal an den Täter. Statt Konsequenz und Härte, kommt er ungeschoren davon und hat somit auch keinerlei Grund sein Verhalten zu verändern oder einzustellen. Im Gegenteil, häufig steigern Täter ihr Verhalten nach Verfahrenseinstellungen, weil sie sich für unverwundbar halten.
Auch für das Opfer bedeuten diese Verfahrenseinstellungen massive Rückschläge. Es bedarf viel Kraft sich juristisch zu wehren, wenn man dann feststellt, dass einem nicht geholfen wird, so kann dies zu Resignation führen. Betroffene hören auf sich an die Justiz zu wenden, weil sie das Vertrauen verlieren und nicht mehr damit rechnen, dass ihnen geholfen wird. Viele fühlen sich nicht ernst genommen.

Es muss sich sowohl bei der Legislative, als auch bei der Judikative sehr viel ändern, damit das Gewaltschutzgesetz ein wirklich wirksames Mittel gegen Gewalt und Nachstellung.

Beim Gewaltschutzgesetz würde sich übrigens ein Blick zu unseren österreichischen Nachbarn lohnen, welche ihr erstes Gewaltschutzgesetz im Jahr 1997 erlassen haben und dieses im Jahr 2009 noch mal überarbeiteten. Das zweite Gewaltschutzgesetz wurde im Jahr 2014 sogar mit dem Future Policy Award ausgezeichnet, der vom Weltzukunftsrat verliehen wird. Dieser Preis zeichnet prämiert „innovative Lösungsansätze für die Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen“. Ein Ziel von dem Deutschland leider noch weit entfernt ist.